Soziale Politik per E-Mail: Zwischen Licht und Schatten
Im zweiten Teil unserer Serie zur Direktkommunikation der Parteien während der Europa Wahl 2024 beschäftigen wir uns mit der Kommunikation der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der SPD. Wie bereits im Beitrag zur Kommunikation der Grünen blicken wir uns auch hier primär auf den E-Mail-Newsletter der Partei, betrachten die Kommunikation als Abfolge von Interaktionen und überlegen, ob diese im Sinne einer Dating-Analogie dazu geeignet sind, den Aufbau langfristiger Beziehungen zu fördern.*
Pascal Rudolf
7/11/20246 min lesen
Beginnen wir auch hier mit der Website-Einbindung des Newsletters. Diese ist insgesamt gut gelungen, auch wenn man die Anmeldung etwas prominenter hätte platzieren können. Über den Titel „Soziale Politik für Dich. Jetzt auch per E-Mail!“ kann man geteilter Meinung sein, der Inhalt des Newsletters ist aber konkret beschrieben und benennt relevante Mehrwerte:
Regelmäßige Informationen zu unserer Politik
Einladungen zu Veranstaltungen und Aktionen vor Ort
Sowie exklusive Inhalte von Olaf Scholz, Kevin Kühnert, Lars Klingbeil, Saskia Esken und dem Team der SPD.
Das Anmeldeprozedere ist so einfach wie versprochen und auf Basis der üblichen Standards zu Datenschutz und Co. aufgesetzt.
Ein gelungenes erstes Date
Die eigentliche Reise beginnen wir mit der obligatorischen Willkommensmail, zu der, trotz ihrer beeindruckenden Kürze, viel zu sagen ist!
Zunächst mal, dass die Kürze in diesem Kontext durchaus positiv gemeint ist. Eine E-Mail prägnant und auf den Punkt zu formulieren, wenige aber dafür klare Call-To-Actions einzubauen und den Inhalt generell auf das Wesentliche zu beschränken, sind definitiv Best-Practise.
Entsprechend startet die Mail mit einer kurzen Einleitung („Toll, dass du dich für die Arbeit der SPD interessierst!“) und einer Zusammenfassung des Angebots. Letzteres hilft, Erwartungen zu managen, schafft Transparenz und leitet durchaus elegant zum zweiten Teil der Mail weiter. Nun hat die Partei nämlich eine Frage an mich („Warum bist Du dabei?“) und bietet mir vier Antwortoptionen:
Ich möchte der SPD helfen
Für Infos aus erster Hand
Ich möchte Mitglied werden
Ich bin schon SPD-Mitglied
Ich finde das zunächst sehr smart. Die Mechanik ist interaktiv, fördert Interaktionen und ermöglicht es, verschiedene Segmente zu unterscheiden. Ein solches, integriertes „Preference-Center“ erlaubt damit grundsätzlich, die weitere Kommunikation sehr viel spezifischer und damit relevanter zu gestalten.
Weniger gut gefallen mir die konkreten Antwortoptionen, da diese durchaus zu Mehrfachantworten einladen und damit zu Verwirrung führen können. Ich habe mir im Rahmen dieses Experiments alle Optionen angesehen und frage mich ehrlicherweise bis heute, ob dies irgendeinen Impact auf meine folgende Kommunikation hatte.
Schauen wir uns zunächst die grundlegende Mechanik an. Die Optionen sind als formatierte Link-Buttons in der Mail eingebaut und führen jeweils auf eine eigene Landing Page. Die Optionen drei und vier gestalten sich wie erwartet, die beiden ersten Antwortmöglichkeiten verdienen nochmals einen genaueren Blick:
Die erste Landing Page („Ich möchte der SPD helfen“) bietet mir unter anderem eine FAQ, eine Liste der Social Channels sowie drei Möglichkeiten aktiv zu werden: „Werde Mitglied“, „Unterstütze uns“ (mit einer Spende) und „Alles für Wahlkämpfer*innen“. Nichts daran ist falsch, ich hätte mir dennoch auch ein etwas niedrigschwelligeres Angebot gewünscht.
Die zweite Landing Page ist eine schlichte Bestätigung: „Danke! Gerne versorgen wir Dich ab sofort per E-Mail mit exklusiven Informationen und laden dich ein zu Veranstaltungen und Aktionen zum Mitmachen.“ Transparent und auf den Punkt. Außerdem wurde an dieser Stelle die WhatsApp Gruppe der SPD eingebunden, die mir noch mehr Infos verspricht. Ohne hier in konkrete Inhalte einzusteigen: Eine sehr gelungene, vernetzte Kommunikation.
Die Willkommensmail endet mit einem kurzen Abbinder („Dafür stehen wir“) und solidarischen Grüßen. Alles in Allem, ein guter Start in unsere neue Beziehung!
Von wegen drei Tage …
Dann allerdings folgt eine lange Pause von rund sechs Wochen. Angesichts des fulminanten Einstiegs, schon eine Überraschung. Als Absender der E-Mail fungiert – wie versprochen – der SPD-Generalsekretär, Kevin Kühnert. Zum Glück – bin ich geneigt zu sagen – wird die E-Mail ihrer Betreffzeile („Deine Entscheidung jetzt ein Plakat zu kaufen.“) dann doch nicht ganz gerecht, denn tatsächlich arbeitet die E-Mail zunächst einige Aspekte des anstehenden Wahlkampfs heraus. Für meinen Geschmack ist das zu textlastig und die Botschaften in sich auch relativ generisch. Wer sich fragt, welchen Einfluss das von uns zuvor gelobte Preference-Center auf diese (wie auch die weitere Kommunikation) hatte … Ich vermute keinen!
Das ist nicht nur schade, sondern auch insofern problematisch, da so zuvor aufgebaute Erwartungshaltungen enttäuscht werden. Analog zu der – im letzten Blog beschriebenen – E-Mail des Bundeswirtschaftsministers, Robert Habeck, von den Grünen, würde ich sagen: Wenn es sein muss, kann man eine solche Mail grundsätzlich versenden. Dann sollten aber alle Register gezogen werden, um dies so authentisch wie möglich in die jeweilige Wähler:innen-Journey zu integrieren und dass diese, nach so langer Zeit, unser erster Touchpoint gewesen sein soll, finde ich nicht nur im Sinne unserer Dating-Analogie sondern auch aus der Sicht des politischen Beziehungsmarketings unglücklich.
Der stärkste Moment
Dieses Mal vergeht nur etwas mehr als eine Woche, ehe ich erneut von der SPD höre. In kurzer Folge erreichen mich drei Nachrichten, die sich inhaltlich mit dem Überfall auf den Dresdner Politiker Matthias Ecke und dem drohenden Erstarken der extremen Rechten im Europawahlkampf beschäftigen. Es ist tragisch, dass die sozialdemokratische Direkt-Kommunikation in diesem Augenblick ihren stärksten Moment hat.
Die erste Nachricht – wiederum von Kevin Kühnert – thematisiert die Vorfälle vor dem Hintergrund der aktuellen Medienberichte, fasst diese in sehr authentischen Worten zusammen und solidarisiert sich in deutlichen Worten. Gut so!
Gut gelungen finde ich insbesondere die Möglichkeit, dem Angegriffenen eine Nachricht zukommen zu lassen. Das schafft Interaktionen, Engagement und gibt mir die Möglichkeit, meiner Fassungslosigkeit auf konstruktive Art und Weise Ausdruck zu verleihen. Experiment oder nicht: Ich beteilige mich an dieser Aktion und habe tatsächlich das Gefühl, mich konkret und positiv eingebracht zu haben. Auf die folgenden Spendenaufrufe hätte ich in dieser Form verzichtet, ich kann mir aber vorstellen, dass hierzu geteilte Meinung besteht. Wollen wir also nicht pingelig sein und ganz ehrlich: In Summe ist das richtig gut gemacht!
Die zweite E-Mail, kommt von Katarina Barley, und beschäftigt sich inhaltlich eher mit dem Thema Rechtsextremismus und einer möglichen Koalition in Europa. Mittels einer digitalen Unterschriftensammlung sollen die Konservativen zu einer klaren Distanzierung vom rechten Rand aufgerufen werden. Wiederum ein gut platziertes, niedrigschwelliges und einigermaßen interaktives Element, das ansonsten leider in eine E-Mail eingebettet ist, die aus sehr viel schwarzem Text auf weißem Grund besteht. Generell muss man sagen: Das Design der SPD-E-Mails ist besser als bei manchen Konkurrenten - Luft nach oben besteht dennoch.
Den Abschluss dieser Trilogie bildet eine Nachricht von Matthias Ecke. Dies schließt den Kreis und lässt die Aktion der ersten E-Mail umso authentischer erscheinen. Erneut ist in der Nachricht das eine oder andere interaktive Element integriert und aus der konkreten Situation heraus wirken sogar die Spendenaufrufe weniger aufdringlich.
Aus einer Perspektive politischer Direkt-Kommunikation wurde hier zunächst vieles richtig gemacht. Damit möchte ich aber weder zynisch klingen, noch unterstellen, die SPD habe in unanständiger Weise versucht, einen Vorteil aus dem Angriff zu ziehen. Vielmehr möchte ich illustrieren, wie emotionale Erlebnisse unsere Beziehungen zu Parteien beeinflussen und niedrigschwellige Möglichkeiten zur direkten Beteiligung großes Engagement schaffen können.
Gleichzeitig markiert diese Nachrichten-Serie das – vorläufige – Ende unserer Beziehung, denn bis zum heutigen Tag habe ich keinen weiteren Newsletter der SPD mehr erhalten.
Licht und Schatten
Wie bewerten wir aber nun die Kommunikation der SPD, insbesondere vor dem Hintergrund des Europawahlkampfs? Insgesamt finden wir bei unserer Analyse viel Licht, leider aber auch sehr viel Schatten.
Beginnen wir mit den positiven Aspekten, denn tatsächlich setzt die Kommunikation einige sehr gelungene Akzente. Durch die Verwendung kreativer Mechaniken wird – wie im Fall der Genesungswünsche an Herrn Ecke – eine interaktive Wählererfahrung kreiert, die relevante mit emotionalen Erfahrungen verknüpft.
Auf der anderen, der Schattenseite steht hingegen all das, was nicht gesagt wurde. Zwar haben wir in diesem Blog viel über die – durchaus – guten Ansätze der E-Mail-Kommunikation gesprochen, betrachten wir diese aber aus einer Beziehungsperspektive wird klar: Wir haben es hier weniger mit einem konsistenten, langfristigen Ansatz als vielmehr mit einer klassischen Kampagnen-Logik zu tun. Auch im Hinblick auf die versprochenen Mehrwerte bleibt mir die Partei einiges schuldig. Zwar habe ich tatsächlich Nachrichten von Kevin Kühnert und Katarina Barley bekommen, darüber hinaus wurde das Versprechen (regelmäßige Informationen, Aktionen, Veranstaltungen vor Ort, etc.) nur sehr bedingt eingelöst.
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass hier ein klassisches Kampagnen-Konzept auf einen Direktkanal ausgerollt wurde. Anstatt sich mit den Bedürfnissen der Wähler zu befassen, stand hierbei der Kommunikationsbedarf der Partei im Vordergrund. Dafür spricht übrigens auch die WhatsApp Gruppe der SPD, in der auch drei Wochen nach der Wahl ein Beitrag zur Abschlusskundgebung des Wahlkampfs in Duisburg den “aktuellen” Schlusspunkt setzt.
In unserer Dating-Analogie hätte es, angesichts des ernüchternden Abschneiden des SPD in den Europa- und Kommunalwahlen, gerade hier der Beziehungspflege bedurft. Es ist einfach, miteinander gute Zeiten zu erleben, umso wichtiger ist es jedoch, in schlechten Zeiten über Fehler und Probleme zu sprechen. Nur so kann man einer möglichen Entfremdung vorbeugen und gestärkt aus einer Krise hervorgehen. Ansonsten muss, nach der ersten Honeymoon-Phase, unweigerlich der Eindruck entstehen, dass bereits erste Unwägbarkeiten das Interesse des potentiellen Partners zum Erlöschen bringen.
* Der vorliegende Blogpost basiert auf einer Datenerhebung während der ersten Phase des Europawahlkampfs (14.03. - 14.06.2024) und bildet eine spezifische Wähler-Erfahrung im Vorfeld der Europawahl 2024 anekdotisch ab. Eine vollständige und strukturierte Fallstudie, mit allen E-Mail-Touchpoints bis zum Wahltag, ist auf Anfrage erhältlich und wird in folgenden Beiträgen thematisiert .
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